Unglaubliche Projekte

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Ronald kannte einige Leute in seiner Nachbarschaft, die seinen Eltern zuweilen von den vermeintlichen Verfehlungen ihres Sohnes berichteten und erfuhr zufällig, dass diese gern am späten Samstagabend den ARD-Film nach dem "Wort zum Sonntag"  sahen.
    Der Filmgenuß war für die nächsten Wochen für diese Anschwärzer passé. Ronald schaltete während dieser Zeit nach dem Zufallsprinzip seine elektrische Höllenmaschine ein und aus und ergötzte sich gemeinsam mit Dieter daran, wenn die Betroffenen am nächsten Morgen oder an den Folgetagen auf der Straße über den rücksichtslosen Lumpen schimpften, der wohl zur nächtlichen Stunde einen Staubsauger betrieb oder wahrscheinlich seine Kinder mit der elektrischen Eisenbahn spielen ließ. Wenn man den erwischen würde!!
    Auf den Gedanken, dass es der Lehrerjunge aus der Nachbarschaft war, kamen sie nicht und es kam auch niemals heraus. Das verräterische Knallen der Funken vermied der Fernsehattentäter durch den Einbau der Elektroden in eine große gläserne Milchflasche, die mit mehreren textilen Lagen und Gummiband umwickelt war.
    Er hatte ja nicht umsonst ein Buch aus der Jahrhundertwende in seinem Schrank stehen, in dem detailliert über den Bau von Knall- und auch Löschfunkensendern sowie monströsen elektrischen Hochspannungsgeneratoren für den Hausgebrauch referiert wurde.
    Dieter hatte dann noch eine blendende Idee, die Ronald sofort realisierte:
Das Ganze wurde mit einem, aus dem Deckel einer Mülltonne zurechtgetretenen, Blechspiegel optimiert, mit dem der eine Straßenzug in voller Breitseite in den Genuß des Störsenders kam, während einige Dutzend Meter weiter nur leichte Streifen über das Bild liefen ...
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Die Eltern bemerkten das sinistre Treiben nicht, da sie zu dieser Zeit zumeist im Schlaf der Gerechten versunken waren.
    Die elektrischen Bauteile einschließlich des Mülltonnendeckels hatten die beiden Bastler samt und sonders auf dem Sperrmüll aufgetrieben. Alte Radios und Fernseher als Hardwarequelle lagen dort nicht selten umher und brauchten nur fachgerecht ausgeschlachtet zu werden.
    Jetzt suchten sie nur noch nach einem Teslatransformator. Mit diesem war es möglich, so hatte Ronald in dem alten Knallfunkenbuch gelesen, meterlange Funkengarben zu erzeugen. Einen solchen gab es zwar seit den zwanziger Jahren im Physikkabinett der Schule; jedoch trauten sie sich nicht,  diesen für ihre Zwecke "wegzufinden" oder auch nur auszuborgen. Davon abgesehen; so bekannt, wie sie im Ort für ihre praktischen Umsetzungen von chemischen und physikalischen Kenntnissen waren, hätte wohl auch kein Lehrer mit guten Gewissen ihnen ein solches Gerät auch nur für Stunden ausgehändigt! Möglichweise wären dann auch die Opfer der Knallfunken-Attentate über die Gerüchteküche auf sie aufmerksam geworden.
    Das wußten sie und fragten aus diesen Gründen auch nicht danach!
    "Ich krieg' mich nicht ein!" japste Ronald. "Der fette Meier hockt auf der Brille, drückt ab, und ..."
    "Ja, er hockt auf 'nem elektrischen Scheißhaus!"
    "Auf dem elektrischen Scheißhaus!" Dieters Stimme überschlug sich. "Genau!! Und dann hat er Dünnpfiff, was die ganze Sache noch richtig optimiert!"
    Sie waren begeistert von ihrer Idee.
    "Nur, was passiert, wenn herauskommt? Dann müssen wir uns zur Strafe auf unsere eigene Erfindung setzen und sie ausprobieren? Nee, bloß nicht!"
    "Glaub ich nicht!" sagte Ronald. "Ich glaube eher, dann sind wir hier für den Rest unserer Tage als perverse Attentäter verschrieen!"
    "Ach was, das sind wir ohnehin schon. Weißt doch: 'Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gar recht ungeniert.' Immerhin: das elektrische Scheißhaus! Hab ich noch nie gehört. Also sowas; nee! Auf dem Scheißhaus sitzt der der Meier und der Blitz haut in die Eier!"
    Sie lachten noch minutenlang. Die Idee war genial für sie.
    "Ich hät' da noch was!" sagte Ronald.
Offensichtlich hatte er gerade eine ausgesprochen kreative Phase.
    "Lass hören!"
    "Wir können ja auch unser Bengalfeuer zum Einsatz bringen! Was meinst du, wir müssten was finden, das sich beispielsweise bei Berührung mit Wasser entzündet. Weiß zwar im Moment nicht, was da geeignet ist, das sollte aber herauszufinden sein. - Ja, auf jeden Fall: dieses Zeug mit unserem Bengalfeuer versetzt und im Scheißhaus deponiert. Wenn sich dann der fette Meier draufsetzt ..."
    "Hohoho, dann verbrennt er sich den Arsch beim Kacken. Und den Sack noch dazu! Hast du noch mehr solcher tollen Ideen?"
    "Hab ich: ....