Saufgeschichten (im Buch gibts noch viel mehr)

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  "Aber, ich dachte, der flippt aus; er wurde geradezu zur Wildsau! Rumgebrüllt hat er, nicht viel leiser als Motörhead aus der Ecke. Dann ist er mit feuerrotem Kopf und zur Faust geballten Gesicht abgezogen. Und Drohungen hat er ausgestoßen, meine Fresse! Ich dacht' nicht anders, er kommt mit 'ner Axt zurück und haut uns die Bude kurz und klein!"
    "Und dann?"
    "Passiert ist weiter nichts. Angeschissen hat er uns wohl nicht. Aber Rache hat er uns garantiert geschworen. Wenn er uns irgendwie an den Arsch kriegen kann, wird er es garantiert machen."
    "Glaub ich auch!" befürchtete Gerd.
    "Ja und, Leute, wisst Ihr noch die Sache mit dem Entengang?"
    "Der Entengang! Das Highlight des letzten Jahres! Kann' ich in etwa, erzähl aber nochmal. Vielleicht weißt du mehr als ich!?"
    "Ja, das war vor ungefähr einem Vierteljahr. Jedenfalls haben wir an dem  Abend, wie so oft, einen mordsmäßigen gesoffen.
    Rund waren wir wie die Buslenker. Und wie es der Teufel so wollte, hören wir auf dem Gang ein irres Gejohle. Das ist ja an und für sich nichts Besonderes. Das passiert hier ja häufig, wenn die Besoffenen vorbeitorkeln und rumgrölen."
    "Stimmt, meistens seid ihr's ja selbst, oder?"
    "No comment! - Ja, normalerweise ist das für uns kein Grund, nachzusehen. Aber diesmal war das anders!
    Wir hören Worte wie: 'so eine Sau!', 'Ferkel!!' 'Wisch dir den Arsch ab!' usw. usw. Dann im Hintergrund ein paar Kotzgeräusche!
    Das hat uns nun doch interessiert und wir sind raus.
Leute, was da los war, das glaubt einem keine Sau! Ich denk, ich fall' um!
    An der Wand lehnt Tommi mit grünen Gesicht. Vor ihm ein riesiger Kotzehaufen auf dem Boden und 'ne fette Spur an der Wand hoch! Hat direkt an die Wand gereihert. Dann ein halbes Dutzend von den Kerlen aus den Nachbarbuden auf dem Gang. Auf dem Fußboden 'ne Spur Scheiße bis hin zur Treppe! Pfui Teufel!! Richtig dünn! Igitt igitt!! Und in der Ecke vorm Scheißhaus sitzt Timmi! Voll wie tausend Mann! Er war's!"
    "Ja, leckt's mich doch am Arsch, wie konnte denn sowas passieren?"
    "Ich denk mal, der hat irgendwas gefressen, was ihm nicht gut bekommen ist. Und dann war er wie immer besoffen, bis zum absoluten Abwinken. Er hat's einfach nicht mehr aufs Scheißhaus geschafft und hat's dann im Laufen gemacht. Wie 'ne Ente eben! - Andererseits, was der saufen kann, das is' ja geradezu unmenschlich! Kein Witz, der hat mal mit mir vor kurz vorm letzten Weihnachten am Abend angefangen, bis ich zusammengeklappt bin; 's wurd' schon langsam wieder hell. Irgendwann am Mittag werd ich wieder wach und wer säuft noch immer und diesmal zusammen mit Martin? Timmi! In der Ecke auf dem Fußboden liegt Pichelmatti, der mir nach seinem Halbkoma erzählt hat, dass er ganz früh und nüchtern mit Timmi angefangen hat. Und Pichi kann saufen für zwei, weiß Gott! Aber Timmi, der  is' echt ein anatomisches Wunder. Wie ich vorhin schon sagte: wie ein Faß ohne Boden! Wo der das hinsäuft: keine Ahnung, so lang und dürr wie er ist.
    Und das Beste: Und um die Schleifspur 'rum hat Kongo-Müller mit Kreide Kreise gemacht! Wir haben's dann sogar noch fotografiert."
    "Stimmt, die Bilder hab' ich mal gesehen!" bestätigte Mucki prustend.
Sie tobten in Erinnerung des Erzählten!
    "Ja, Männer, das war der Entengang. Toll, was?"
    "Leute, Leute!" sagte Gerd lachend und kopfschüttelnd. "Was wir hier so erlebt haben, das glaubt uns ja niemand! Wir könnten echt ein Buch darüber schreiben. Dagegen ist der brave Soldat Schwejk ein Waisenknabe! Wir können später echt mal was erzählen; solche Erinnerungen hat garantiert nicht jeder!"
    "Stimmt, Gerd!" pflichtete Ronald bei. "Oder noch besser: Schwejk zusammen mit seinem Feldkuraten Otto Katz, die haben ja auch gesoffen wie die Löcher und hätten selbst ihren obersten Dienstherren gegen Schnaps verkauft. Liest sich herrlich, im wahresten Sinne des Wortes; kann ich euch nur empfehlen.Vom Saufen versteht das Buch echt was und irre Typen, gerad' wie wir, gibt’s dort massenhaft, weiß Gott!1 - Nur, unsere Abenteuer - die verlegt hier ja niemand, hihihihi! Und wenn wir’s selbst machen, haben wir garantiert die Bullen oder auch die Stasi an der Backe. Oder die Sittenpolizei! Vielleicht sogar die ganze Bagage zusammen."
    "Ja, im Westen müsste man sein!" seufzte Gerd. "Da geht so was."
Ronald und Mucki nickten mit leicht verkniffener Miene.
    "Stimmt! Aber zum Schreiben bist du ja ohnehin viel zu faul, Brennoli!2"
Der Abend verging mit dem Erzählen von weiteren interessanten Begebenheiten. Sie grölten, lachten und schafften es tatsächlich, die drei "Blauen Würger"-Pullen komplett zu leeren.
    Es war weit nach Mitternacht, als sie sich verabschiedeten.
Gerd schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr in deutlichen Schlangenlinien zu seiner Freundin.
    Ronald und Mucki schnarchten wenige Minuten später im tiefen Schlaf der Gerechten.
    Am Sonntagnachmittag kamen sie langsam wieder zu sich.
Die Bandteller der Radaumaschine drehten sich noch immer.
    'Flap flap flap ....' machte es und ein leises Brummen dröhnte aus den Lautsprechern.
    Sie zogen es vor, an diesem Tag nicht mehr das Bett zu verlassen, außer zuweilen in der Toilette für Unterdruck in der Wasserleitung zu sorgen und über den Klobrille nach ihren guten Freunden Ulf und Ralf zu rufen.
    Am Montag begrüßte sie dann Gerd leicht hinkend, mit Schrammen im Gesicht und einigen blaugrünen Flecken an Knien und Ellenbogen.
    Ein geschwollenes blaues Auge hatte er ebenfalls, schwieg aber hartnäckig über dessen Herkunft ...